Weibliche Genitalverstümmelung: Starke Mutter kämpft gegen brutales Ritual
Text: Christiane Dase, Fotos: Fairpicture
Saynab hat fünf Kinder zur Welt gebracht, vier davon sind Mädchen. Die Schmerzen, die sie bei der Geburt ihres ersten Kindes erlitten hat, müssen unvorstellbar gewesen sein. Saynab lebt in Somaliland, einer Region in Somalia, die sich 1991 einseitig für unabhängig erklärt hat. Als kleines Mädchen wurde Saynab beschnitten – weil es in ihrer Heimat Tradition ist. Ihre Töchter will Saynab vor diesem Schicksal bewahren. Deswegen kämpft die 40-Jährige heute gegen Beschneidung und klärt in einem unserer Projekte über die lebenslangen, schmerzhaften und nicht selten tödlichen Folgen von weiblicher Genitalverstümmelung auf.
Saynab, können Sie uns erzählen, was Sie als Kind erleben mussten und wie die Beschneidung Ihr Leben verändert hat?
Saynab Ibrahim: Ich wurde als Kind beschnitten. Danach war ich sehr krank und konnte mich nicht bewegen. Ich erinnere mich, dass ich wochenlang nicht mit meinen Freundinnen spielen konnte. Später, als Heranwachsende und dann nach der Heirat, als ich schwanger wurde, ging es immer weiter. Man hat mich verstümmelt und zugenäht. Wenn ich meine Periode bekam, hatte ich Schmerzen, ich litt an Entzündungen und Verstopfungen. Als ich bei der Geburt meines ersten Kindes in den Wehen lag, musste man mich öffnen, damit ich überhaupt entbinden konnte. Ich bin beinahe verblutet. Da habe ich mir geschworen, dass ich meinen Töchtern das niemals antun will. Ich habe meinen Eltern vergeben, aber meine Töchter werden nicht das gleiche Leid erfahren wie ich.
Wie setzen Sie sich dafür ein, dass Mädchen und jungen Frauen in Somaliland nicht dasselbe Schicksal erleiden wie Sie?
Saynab Ibrahim: Ich spreche sehr viel über meine Erfahrungen. Die Leute müssen wissen, dass ein beschnittenes Mädchen lebenslänglich unter den Folgen leidet. Viele sterben während des Eingriffs. Eine Schwangerschaft ist auch sehr gefährlich, viele junge Frauen überleben die Geburt ihres Kindes nicht. Und natürlich haben beschnittene Frauen überhaupt keine Gefühle mehr für Sexualität, da die Nervenstränge durchtrennt sind und alles taub ist. Mittlerweile warne ich täglich meine Freunde und Nachbarn. Die meisten hören mir zu, ausser einige wenige unbelehrbare Fanatiker. Aber das ist immerhin ein Erfolg. Ich möchte als Vorbild vorangehen.
Denken Sie, dass durch Ihren Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung ein Umdenken in Ihrer Heimat stattfindet?
Saynab Ibrahim: Vor kurzem wurde ein junges Mädchen vom Land zu mir gebracht, ihre Mutter hatte sie beschneiden lassen, man hatte sie ganz brutal zugenäht und dann noch ihre Beine fixiert, damit die Öffnung richtig zuwachsen sollte. Das Mädchen hat sehr gelitten, sie verlor so viel Blut und fiel sogar ins Koma. Sie lag wochenlang bei uns im Haus am Boden. Mit Glück hat sie überlebt. Neulich hat auch eine Nomadenfrau ihre Tochter in unsere Stadt gebracht. Sie wollte das Mädchen beschneiden lassen, glücklicherweise konnte ich die Frau davon überzeugen, es nicht zu tun!
Es ist sicher nicht leicht, gegen eine jahrhundertealte Tradition anzukämpfen und gleichzeitig über ein Tabuthema zu sprechen. Wer unterstützt Sie dabei?
Saynab Ibrahim: Es gibt NGOs wie die Kindernothilfe und ihre Projektpartner, die uns beim Kampf gegen Beschneidung unterstützen. Wir bekommen Informationen und Seminare, in denen wir aufgeklärt werden, und auch, um das, was wir dort gelernt haben, in unserer Gemeinde weiterzugeben. Ich habe die verheerenden und schmerzhaften Folgen der Beschneidung am eigenen Körper erlebt, aber auch meine ganze Umgebung und unsere Nachbarn haben damit Erfahrungen machen müssen. Ich glaube, die wesentlichen Gründe, warum Menschen Beschneidung nach wie vor praktizieren, sind Unwissenheit und Mangel an Bildung. Ich will unbedingt mit noch mehr Familien über dieses Thema sprechen und sie dazu bewegen, dass sie ihre Töchter davor verschonen.